hintergedanken

terrain vague ist nicht aus dem hohlen Bauch heraus entstanden, sondern (auch) aus sozialwissenschaftlichen Gedanken, die ich an anderer Stelle formuliert hatte. Zusammenfassen läßt sich das etwa so:

In den Neunzigern setzte sich auch in Deutschland ein Denken durch, nach dem das Tolle an einer Großstadt nicht das Aufeinandertreffen verschiedener Gruppen mit teilweise starken Kontrasten und entgegengesetzten Vorstellungen ist, sondern… ja, was eigentlich? Jedenfalls, die Gegensätze sollten weg. Denn die verunsicherten nur diejenigen, die damit nicht umzugehen gelernt hatten. „Sicherheit“ war das Schlagwort der Stunde. Gemeint war damit aber nicht: Abwesenheit von Bedrohungen. Gemeint war: Abwesenheit von Irritation. Ein wichtiger Ausdruck dieses Denkens ist die sogenannte „Broken Windows“-Theorie, nach der auch die kleinste Irritation im städtischen Raum zur Verwahrlosung ganzer Stadtteile führen kann.
Allerdings entsteht beim genaueren Hingucken der Eindruck, daß nicht konkrete Bedrohungen der Ausgangspunkt der Sicherheitsrhetorik sind, sondern allgemeinere, diffuse Ängste, gegen die man nun wirklich mit Technologie nicht viel anrichten kann. Daß diese Rhetorik so erfolgreich ist, liegt nicht zuletzt daran, daß diese Ängste ziemlich tief sitzen, aber auch darin, daß sich mit ihr eine Politik plausibel machen läßt, die auf Kontrolle Und Formierung des städtischen Raums ausgerichtet ist. Diese Politik versteht sich als Teil der globalisierten Städtekonkurrenz und arbeitet nicht nur mit Videoüberwachung, sondern auch mit Freizeitparks, Fußgängerzonen und Großveranstaltungen. Zum einen hat das den Vorteil, daß das eine Argument (die Städtekonkurrenz) greift, wo das andere (die Kriminalitätsfurcht) nicht hinreicht; zum anderen sind Shopping Malls, Freizeitparks etc. keine öffentlichen, sondern private und teilprivatisierte Räume, in denen mittels des Hausrechts Kontrollmechanismen durchgesetzt werden können, die in öffentlichen Räumen zur Zeit noch nicht möglich sind.

Die hier gesammelten Texte versuchen, die Argumentationsweise der Sicherheitsrhetorik nachzuvollziehen und einerseits zu sehen, wieso sie so erfolgreich sein kann (zerbrochene Fenster) und andererseits alternative Perspektiven zu dieser Denkweise zu entwickeln, um politische Handlungsspielräume zu erhalten (rundum sicher). Das Hazyland-Projekt (Dekonstruktion des Verschwindens) erweitert den Begriff der Kontrolle. Hier geht es nicht mehr vor allem um Sicherheit, sondern um die Gestaltung der Stadt als kontrollierenden Akt.

Literatur dazu:

Dekonstruktion des Verschwindens

Vortragsmanuskript als Readerbeitrag, 2005.

Was ist so gut an zerbrochenen Fenstern?

Hausarbeit, Wintersemester 1999/2000

Rundum Sicher. Einige Mythen und Vorstellungen der Sicherheitsrhetorik

Aufsatz, mitte 2000