Bereits nach wenigen Tagen meines terrain-vague-Experiments wurde mir klar, was ich mir da für eine Arbeit aufgehalst hatte, und ich suchte nach Wegen, dem Aufwand von zwei Stunden täglich zu entgehen. Nachdem ich zum dritten oder vierten Mal eine halbe Stunde mit dem Ausmessen von Rändern und Winkeln (hattest Du schon mal ein schiefes Geodreieck? Und wenn ja, wie lange hat es gedauert, bis Du gemerkt hast, daß die krummen Winkel nicht an Deiner Schlurigkeit lagen?) und dem Zeichnen von Orientierungslinien für Zeichnungen und Lettering verbracht hatte, wurde mir auch klar, wo ich anfangen könnte.
Nichts gegen Orientierungslinien. Sie geben einem Blatt die nötige Struktur, und es gibt kein besseres Mittel gegen die berühmte „Angst vor dem leeren Blatt“, als wenn das Blatt gar nicht leer ist. Aber es macht Arbeit.
Also entwarf ich eine Art Schablone, oder genauer: eine Art Formblatt, auf dem ich setdem meine Strips zeichne. Inzwischen habe ich die ursprüngliche Vorlage noch verbessert, jetzt sieht sie so aus:
Die Schablone habe ich mir bequem eingerichtet. Neben dem großen Rahmen für die Zeichnungen enthält sie noch:
1. ein Raster, in dem ich die Nummer der Folge, das geplante Veröffentlichungsdatum und das Herstellungsdatum für Text, Vorzeichnungen und Tusche eingebe, um später den Überblick zu behalten. Die Abkürzungen für die Daten sind vorgedruckt, damit ich auch wirklich nicht vergesse, sie einzutragen.
2. nochmal ein Feld für die Nummer, um 90° gekippt, damit ich beim Durchblättern meiner Mappe keinen steifen Hals kriege.
3. in den Ecken des Bildrahmens je ein schwarzer Punkt, damit ich die Außenlinien mit Bleistift noch leichter ziehen kann (normalerweise mein erster Arbeitsschritt)
4. Linien für das Lettering. Inzwischen lettere ich im Computer, aber damals nicht.
Die Idee ist leider gar nicht von mir, auch wenn ich, technisch gesehen, ganz von selber drauf gekommen bin. Die meisten professionellen Zeichner arbeiten mit irgendwie vorgefertigten Vorlagen. Der erste, der meines Wissens solche Schablonen erfunden hat, war der große Will Eisner, der in den Dreißigern ein Zeichenstudio betrieb. Seine Schablone war radikaler als meine: bei ihm waren die Bildränder bereits vorgetuscht. Dadurch wurde das Layout statischer, was ihm nicht so gefiel, aber noch mehr Zeit sparte als meine Vorlage.
Meine Schablone ist natürlich besser: da außer den Ecken nichts vorgegeben ist, habe ich beim Layout alle Freiheiten, die mir das Stripformat läßt. Der Vorteil liegt darin, daß die vorgegebenen Linien gelb sind: da ich meine Schwarzweißzeichnungen zweiwertig (schwarz und weiß) scanne, gehen die gelben Linien dabei verloren. Viele Profis arbeiten mit blauen Buntstiften, die einen ähnlichen Effekt haben: man muß halt hinterher im Computer alles, was blau ist, abziehen. Die Technik kommt nicht von computerbasierten Comics her, sondern von gedruckten Comics (die Druckmaschinen haben die blaue Farbe so zuverlässig übersehen wie mein Scanner die gelbe). Im Computer ist es halt noch ein Schritt mehr, dafür sieht der Zeichner besser, was er gezeichnet hat. Ich finde gelb für die Ränder einfacher: das muß ich nicht erst löschen – es ist von vornherein weg.